Knapp jede*r vierte Studierende hat eine gesundheitliche Beeinträchtigung – das zeigt die 22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks (DSW). Zahlreiche Studierende fühlen sich erschöpft. Das DSW spricht von einer Mental-Health-Krise unter den Studierenden. Hierzu braucht es umfassende Strukturen an den Hochschulen, die die Studierenden unterstützen und entlasten können und zugleich präventiv agieren.
Nicht alle Studierenden können alle Räume aufsuchen. Noch immer gibt es in und an den Hochschulen zahlreiche Barriere, die einen barrierefreien oder mindestens barrierearmen Zugang verhindern. Hochschulen müssen deshalb dringend die bereits heute geltende UN-Behindertenrechtskonvention berücksichtigen und für barrierefreie Zugänge Sorge tragen. Das heißt:
- alle Räume müssen zugänglich sein
- redundante, barrierefreie Flucht- und Rettungswege
- verständliche, mehrsprachige Beschilderung
- Rollstuhlarbeitsplätze in Hörsälen, Seminarräume und Freiarbeitsflächen
- barrierefreie Zugänge außerhalb der Hochschulgebäude
Doch nicht nur Zugänge sind nicht barrierefrei. Es fehlt zudem an einer Barrierefreiheit in den Lehrveranstaltungen durch fehlende Hilfen und Pausen, Abkehr vom Veröffentlichen von Lehrmaterialien und fehlenden Schulungen für das Lehrpersonal.
Die KSS setzt sich seit langer Zeit für die umfassende Einrichtung von Ruheräumen ein. Dennoch gibt es weiterhin nur eine geringe Zahl an Ruheräumen in den Hochschulgebäuden. Das liegt nicht nur am fehlenden Willen, sondern auch an fehlenden Finanzmitteln und verfügbaren Räumen.
In den Haushaltsverhandlungen zum Doppelhaushalt 2023/24 konnte die KSS eine Erhöhung der Mittel für die psychosoziale Beratung der Studierendenwerke durchsetzen. Dennoch müssen Studierende weiterhin Monate auf einen Beratungstermin warten. Die Anlaufstellen sind überlastet und Wartezeiten erhöhen sich immer weiter. Als KSS sehen wir auch die Hochschulen in der Pflicht hier Unterstützungsangebote zu leisten.
Grundsatzbeschluss vom 14.09.2024
Inklusive Hochschulen bedeuten:
1. Governance
• Inklusion muss fest auf zentraler Ebene verankert werden. Dafür muss dieses
Themenfeld in den Verantwortungsbereich eines Rektoratsmitglieds verankert
werden.
• Alle sächsischen Hochschulen brauchen ein Diversitätsmanagement. Das
Diversitätsmanagement ist Schnittstelle zwischen den Institutionen und
Verantwortlichen in Diversitätsfragen und monitort die Ziele der Konzepte für
Chancengerechtigkeit, Gleichstellung, Diversität und Familie.
• Inklusionsbeauftragte an den Hochschulen müssen in die Grundordnung
aufgenommen werden. Dafür braucht es an jeder Hochschule eine Vollzeit-
Beauftragung. Diese Beauftragung ist so auszustatten, dass damit allen
anfallenden Aufgaben, abhängig von der Größe der Hochschule, nachgekommen
werden kann. Zur Ausstattung gehören Beschäftigte für Beratung und Verwaltung
sowie Referent*innen.
• Die Arbeit der Inklusionsbeauftragten und des Diversitätsmanagements wird
durch einen Beirat für Inklusion unterstützt. Diesem gehören Mitglieder aller
Statusgruppen in gleicher Anzahl und die Schwerbehindertenvertretung an. Der
Beirat schlägt den gewählten Gruppengremien und der Hochschulleitung Ziele
und Maßnahmen vor.
• Hochschulen brauchen ein Konzept zur Umsetzung von Inklusion. Diese
Konzepte müssen unter Mitwirkung der BetroGenen erstellt und jährlich evaluiert
werden. Konzept und diesbezügliche Reports sind zu veröGentlichen.
• Studierendenräte sind Bindeglied zu den Studierenden. Daher müssen sich auch
die Studierendenräte vermehrt mit dem Thema Inklusion auseinandersetzen und
Sensibilität aufbauen.
2. Bau
• Hochschulen müssen barrierefrei zugänglich sein. Der Hochschulbau muss dies
für Räume und Zugänge sowie Außenflächen berücksichtigen. Die Angaben über
die exakten Zustand der Barrierearmut der Einrichtung soll sich nach aktuellem
baurechtlichen Bestimmungen richten und nicht nach den baurechtlichen
Bestimmungen zum Zeitpunkt der Erbauung/letzten Renovierung.
• Barrierefreiheit von Gebäuden betriGt auch Notsituationen. Dafür müssen
Alarmsysteme so umgebaut werden, dass unterschiedliche Sinne angesprochen
werden und redundante Möglichkeiten für die Evakuierung geschaGen werden. In
mehrgeschossigen Gebäuden müssen für Notsituationen für
Rollstuhlnutzerinnen Vorkehrungen getroGen werden.
• Ruheräume sind essenziell für Studierende mit chronischen Erkrankungen oder
Behinderungen. Diese sorgen für Rückzugsmöglichkeiten. Daher braucht es an
jedem Campus mindestens ein Ruheraum. Diese müssen mindestens mit xyz
ausgestattet sein.
3. Lehre
• Barrierefreiheit betriGt nicht nur den Hochschulbau, sondern auch die Lehre
selbst. Deshalb müssen alle Lehrmaterialien barrierefrei und nach Möglichkeit zu
Beginn des Semesters zur Verfügung gestellt werden. Die fortschreitende
Digitalisierung stellt Studierende hierbei vor neue Herausforderungen.
Lernplattformen oder Websites sind oftmals nicht barrierefrei. Hochschulen
müssen deshalb dafür sorgen, dass alle Lehrenden barrierefreie
Bildungsangebote zur Verfügung stellen können. Für die entstehenden Aufwände
müssen die Lehrenden angemessen unterstützt werden.
• Barrierefreie Lehre kann man lernen. Die Hochschuldidaktik Sachsen ist hier der
professionelle Ankerpunkt. Diese muss Lehrende stärker dazu befähigen,
barrierefreie Bildungsangebote bereitstellen zu können und hierfür besser
ausgestattet werden.
• Studierende brauchen unterschiedliche Zugänge zu Lehrveranstaltungen. Daher
müssen grundsätzlich neben Präsenzformaten auch hybride Formate angeboten
werden. Damit sollen auch Studierende die Möglichkeit einer Teilnahme erhalten,
denen es nicht möglich ist, in Präsenz an der Lehrveranstaltung teilzunehmen.
4. Studium
• Die Situation um Nachteilsausgleich ist nicht zufriedenstellend. Der
Anspruchskreis muss auf psychisch kranke, neurodivergente und chronisch
kranke Studierende ausgeweitet werden. Zudem braucht es eine unabhängige
Stelle zur Bearbeitung von Widerspruchsverfahren. Mitglieder der
Prüfungsausschüsse, die Entscheidungen über Nachteilsausgleiche treGen,
müssen hierfür geschult und sensibilisiert sein.
• Nicht alle Studierenden können ihr Studium in Regelstudienzeit oder dieser
nahen Frist abschließen. Studiengebühren müssen daher abgeschaGt werden,
zumindest sollten Langzeitstudiengebühren bei vorliegender Schwerbehinderung
oder auf Antrag erlassen werden können.
• Die Studiendauer muss flexibilisiert werden. Daher ist § 36 Abs. 4 Satz 1
SächsHSG zu streichen. Zudem muss § 34 SächsHSG um die Möglichkeit einer
Verlängerung der Regelstudienzeit aufgrund besonderer persönlicher Situationen
ergänzt werden.
• Das Möglichkeit zum Studium in Teilzeit muss ausgeweitet werden. Daher ist § 33
Abs. 7 Satz 4 in eine Muss-Bestimmung zu ändern.
• Beratung für Studierende mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen darf
nicht nur von Angeboten der Beauftragten ausgehen. Studierenden müssen auch
peer-to-peer Angebote und Möglichkeiten des Austauschs bereitgestellt werden.
5. Studentisches Leben
• Das BAföG berücksichtigt nicht die Bedürfnisse von allen Studierenden.
Entstehen höhere Mietkosten durch barrierefreies Wohnen müssen auch diese
durch das BAföG abgebildet werden. Zudem muss der vollständige BAföG-
Anspruch auch im Rahmen eines Teilzeitstudiums bestehen.
• Mieten für barrierefreies Wohnen liegen über dem Durchschnittspreis. Das
Angebot an barrierefreiem Wohnraum ist zudem besonders knapp. Der Freistaat
Sachsen muss daher beim Bau von Wohnungen und Wohnheimen einen
stärkeren Fokus auf günstigen, barrierefreien Wohnraum legen.