Zukunftsvertrag

Im Rahmen des zum 31.12.2020 auslaufenden Bildungspakts, der größten Hochschulfinanzierung des Bundes, kommen große Umstrukturierungen der Stellen auf die Hochschulen zu. Die Ausgestaltung des neuen „Zukunftsvertrags“, welcher eigentlich langfristig qualitative Lehre sichern soll, bietet den Hochschulen große Freiheiten.

Diese „Freiheiten“ wurden in der Lehrer*innenbildung mit großem Schaden für Lehre und Forschung genutzt. Zukünftig soll zumindest erstmal an der Universität Leipzig der Großteil der Lehre von „Lehrkräften für besondere Aufgaben“ (LfbA) mit einem Lehrdeputat von 20 SWS gestaltet werden. Dadurch fallen viele Stellen komplett weg und die zusätzliche Arbeit soll durch Zersplitterung der Stellen gestemmt werden, sodass wissenschaftliche Weiterbildung und gute Betreuung nicht mehr stattfinden kann bzw. in die Freizeit verschoben wird.
Alarmierend ist außerdem, dass dies ein Vorgeschmack für weitere Stellenumstrukturierungen in Sachsen und auch bundesweit sein kann – akzeptieren wir die Umstrukturierung an der Uni Leipzig, welche nur auf dem Papier, aber keinesfalls in der Praxis umsetzbar ist, legitimieren wir sie damit auch für andere Standorte.

Die neuen, unbefristeten Stellen sind aus mehreren Gründen für Lehrende und Studierende unzumutbar:

  • Das bisherige Lehrdeputat von 16 SWS führte schon zu starker Überlastung, die eine gute Betreuung, sinnvolle Prüfungsformate und eine qualitative, forschungsbezogene Lehre verhinderten
  • Eine Bewerbung auf diese Stellen kann nur aus Angst vor Existenznöten erfolgen, nicht aus Überzeugung
  • Die Qualität einer solchen Lehre ist unter keinen Umständen sichergestellt, weil die formalen Anforderungen für LfbA-Stellen nicht denen von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen entsprechen.

Die langfristigen Folgen:

  • keine forschungsbasierte Lehre = keine zeitgemäße Lehre
  • unzureichende Betreuung von Studis
  • keine Betreuung von Abschlussarbeiten möglich
  • keine sinnvollen Prüfungsformate mehr (sonst müsste eine Dozentin im Semester über 300 Hausarbeiten kontrollieren)
  • kein qualifizierter wissenschaftlicher Nachwuchs

Stellungnahmen:

  • offener Brief mehrerer lehrer*innenbildender Institute der Universität Leipzig
  • offener Brief der Studierendenschaft und des akademischen Mittelbaus der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät an Staatsminister Gemkow
  • gemeinsame Stellungnahme der Studierendenschaft und des akademischen Mittelbaus der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät

FAQ zum Zukunftsvertrag

Zukunftsvertrag – WTF?

Das Referat Lehramt der Konferenz sächsischer Studierendenschaften engagiert sich in den laufenden Auseinandersetzungen rund um die Ausgestaltung der Lehramtsausbildung in Sachsen. In diesem kurzem FAQ wollen wir für euch übersichtlicdarstellen, warum es wichtig ist, jetzt informiert zu sein und mitzumischen.

Zukunftsvertrag: Was ist das eigentlich?

Im deutschen Föderalismus sind eigentlich die Länder für die Finanzierung der Schulen und Hochschulen zuständig. Da aber die Studierendenzahlen ständig wachsen, haben sich Bund und Länder in der Vergangenheit darauf geeinigt, die Finanzierungen der Hochschulen zu einem gewissen Teil zu splitten: In den sogenannten Hochschulpakten einigen sich die Wissenschaftsministerien der Länder und des Bundes darauf, wer wie viel Geld für was ausgibt. Ab dem 01.01.2021 greift hier ein neuer Pakt: Der „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“. Dieser gilt unbegrenzt, wird für jeweils sieben Jahre verhandelt und in Sachsen vor allem dafür eingesetzt, um die Lehramtsausbildung zu finanzieren.

Tatort Sachsen: Wie finanziert das Land die Lehrerbildung?

Das Land finanziert die Lehrer*innenbildung vor allem durch die Hochschulpakte, also ab 2021 durch den Zukunftsvertrag. Das Land kann relativ frei mit dem Geld verfügen, es überlässt allerdings den Unis, die konkreten Stellenkategorien zu schaffen. Ganz unbeteiligt ist die Landesregierung dennoch nicht: Die Unis bekommen all ihr Geld für die Lehramtsausbildung vom Ministerium und müssen die ausgehandelten Zielvereinbarungen erfüllen, also beispielsweise bestimmte Anzahlen von Studierenden jährlich immatrikulieren und auch bis zum Abschluss bringen. Die gesetzliche Rahmung, welche Stellenkategorien es gibt und wie viel diese jeweils arbeiten, ist natürlich auch eine Kompetenz der Landesregierung.

Bund, Land, Universität - Wer bezahlt eigentlich für die Lehramtsausbildung?

Die Hochschulfinanzierung ist in Deutschland ein eigenes akademisches Forschungsfeld, welches durch die paritätische Hochschulpaktfinanzierung nicht einfacher zu durchblicken ist. Fest steht, dass das Land, wenn es Geld vom Bund will, auf jeden Euro einen eigenen Euro drauflegen muss. Manche Ausbildungsgänge bezahlt das Land aus eigener Tasche, manche bezuschusst das Land zusätzlich. Die Lehramtsausbildung scheint aber das Land komplett durch den Zukunftsvertrag finanzieren zu wollen, es soll keine weiteren Mittel aus dem Landeshaushalt für die Studienqualität gegeben werden. Das Geld weist die Landesregierung den Hochschulen zu, die damit wiederum anscheinend relativ frei umgehen kann. Die Hochschule muss zwar einerseits die Zielvorgaben der Regierung erfüllen, kann andererseits aber auch andere Ziele verfolgen, welche auch selbst dem Stura nicht einsichtig sind. Der Haushaltsplan der UL ist sehr komplex und es wäre nicht verwunderlich, wenn manches Haushaltsmittel zweckentfremdet wird.

Tatort Uni Leipzig: Was plant das Rektorat der UL gerade?

Das Rektorat der Uni Leipzig, also Frau Schücking und Herr Hofsäss, haben Mitte des Jahres einerseits die Mittelzuweisungen aus dem Zukunftsvertrag erhalten und haben andererseits die Zielvereinbarungen im Hinterkopf, also wie viele Studierende sie pro Jahr in bestimmten Studiengängen studieren lassen müssen. Hieraus haben sie dann neue Stellenpläne erstellt. Hierbei haben sie zu einem gewissen Teil freie Hand, zu einem gewissen Teil folgen sie den Sachzwängen, welche sich aus den zugewiesenen Geldern und den in den Zielvereinbarungen vorgegebenen Leistungen ergeben. Plan des Rektorates ist es nun, wissenschaftliche Mitarbeiterstellen (WiMis) zu reduzieren und die Lehrer*innenbildung größtenteils mit Stellen für Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) abzudecken.

WiMis und LfbAs - Was sind das für Stellenkategorien und was ist eigentlich das Problem damit?

Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen (WiMis) sollen sich laut Gesetz vor allem selbst wissenschaftlich weiterqualifizieren, d. h. in der Lehrer*innenbildung forschen sie gerade zu konkreten pädagogischen Fragestellungen und halten nebenher Lehrveranstaltungen ab. Das heißt, diese lassen ihre Forschungsprojekte in die Lehre einfließen und umgekehrt. LfbAs andererseits sind nur für die Lehre zuständig, sie haben aufgrund ihrer sehr hohen Lehrverpflichtung (ab 01.01.21 zehn Seminare pro Woche, vorher waren es 8) keine Zeit, nebenher aktuelle Forschungsdebatten zu verfolgen bzw. auf Konferenzen zu fahren. Eigentlich waren und sind LfbAs als „Ausnahmestellenkategorie“ in der Hochschullehre vorgesehen, ursprünglich sollten sie zum Beispiel Laborpraktika begleiten oder sonstige nicht-wissenschaftliche Lehraufgaben erledigen. Mit der geplanten Umgestaltung der arbeitsrechtlichen Situation der Dozierenden an den sächsischen Hochschulen wird die bisherige Regel der Lehre durch WiMis zur Ausnahme, die Lehre durch überarbeitete LfbAs zur Regel.

Die Gewerkschaften haben doch immer gefordert, dass endlich mehr Stellen entfristet werden. Warum demonstriert ihr jetzt dagegen?

Die Stellenausschreibungen sind ein „giftiges Geschenk“. Einerseits finden wir es richtig gut, dass es endlich unbefristete Stellen an den Unis geben soll, also Dozierende, die endlich einmal eine Lebensplanung samt Kind und Kegel haben können. Anderseits kann es nicht sein, dass diese unbefristeten Stellen solche sein sollen, welche nur reine Lehre machen dürfen und keine Zeit für wissenschaftliche Forschung haben. Für eine gute Lehramtsausbildung brauchen wir unbefristete Dozierende, welche Forschung und Lehre angemessen nachkommen können. Wir schlagen deshalb vor, dass LfbAs höchsten 12 SWS die Woche geben sollten (das sind sechs Seminare und auch schon ganz schön viel). So wäre gewährleistet, dass die Dozierenden neben der Lehre aktuelle Forschungspublikationen lesen können, auf Konferenzen fahren und somit ihre Lehre an der aktuellen Forschung ausrichten können.

Und wo ist das Problem für uns als Studierende?

Wir müssen davon ausgehen, dass die anderen sächsischen Hochschulen sehr genau beobachten, was die UL gerade mit den Zukunftspakt-Mitteln plant. Sollte die UL mit ihren Plänen erfolgreich sein, werden die anderen Hochschulen ihrem Beispiel folgen. Dadurch, dass das Rektorat der UL die Arbeitsbedingungen der Dozierenden verschlechtert, verschlechtern sich auch die Studienbedingungen und die Qualität der Lehrveranstaltungen für die Studierenden. Sollten die Pläne des Rektorats der Uni Leipzig realisiert werden, haben wir eine Studienrealität vor uns, welche sich niemand wünschen kann. Unsere Dozierenden werden dann 10 mal die Woche das gleiche Seminar geben. Sie werden pro Semester über 300 Studierende betreuen, d.h. eine pädagogische Beziehung zwischen Seminarleitung und Teilnehmer*innen wird es nicht mehr geben. Es wird nicht mehr die Möglichkeit geben Hausarbeiten oder Portfolios als Prüfungsleistung festzulegen, da für die Bewertung schlicht keine Zeit sein würde. Die einzige denkbare Prüfungsleistung werden Multiple-Choice-Klausuren sein, welche automatisch von Computerprogrammen ausgewertet werden. Das ist Lehramtsausbildung nach dem Prinzip Fabrikabfertigung ohne pädagogischen Mehrwert.

Wenn das Land Sachsen weniger Geld bereitstellt, wäre es dann nicht der bessere Adressat für die Proteste? Ich möchte verstehen, wer genau die Verantwortung für das Problem trägt.

Das ist eine sehr gute Frage – auch für uns. Leider ist es so, dass ihre Beantwortung nur schwer möglich ist. Der Haushaltsplan der Uni ist komplex und im Konkreten auch nicht öffentlich. Deswegen ist es nicht leicht zu beantworten, ob die Uni genug Geld hat, und es bspw. lieber in andere Projekte investiert, oder nicht. Die Uni verteidigt jedenfalls ihre Maßnahmen, in den Statements der Rektorin ist nicht zu lesen/hören, dass die Uni nicht genug Geld hat. Wenn das Rektorat sich auf unsere Seite stellen würde, dann könnten wir gemeinsam beim Land demonstrieren. Das tun sie aber leider nicht, weil sie davon überzeugt sind, dass es sich sogar um eine Steigerung der Qualität der Lehre handele (vgl. Interview der Rektorin im LUMAG und Aussagen im DLF-Interview). Trotz alledem wissen wir natürlich, dass der Finanztopf der Uni begrenzt ist. Deshalb planen wir gerade auch eine Demo vor dem sächs. Landtag. Fest steht für uns jedoch, dass wir uns nicht zwischen Uni und Land zerreiben lassen wollen. Denn wie es meist so ist – verantwortlich ist immer der Andere.

Die anstehenden Änderungen klingen richtig doof, was können wir jetzt dagegen machen?

Die neuen Stellen sollen laut Plan erst ab Januar 2021 arbeiten, bis dahin haben wir noch ein bisschen Zeit zu demonstrieren! Dass die LfbAs zukünftig 10 Seminare die Woche geben müssen, ist nicht in Stein gemeißelt. Das Land könnte auch aus eigenen Haushaltsmitteln Geld für die Lehramtsausbildung hinzugeben, sodass mehr Personen an den Instituten eingestellt werden können und sich das Lehrdeputat der einzelnen Dozierenden in Grenzen hält. Wichtig ist, dass wir jetzt laut sind und uns an die Unileitungen und die Politik wenden! Gute Bildung hat einen Preis und diesen müssen wir einfordern!

Ich bin bereit, aktiv zu werden - Wo kann ich mich engagieren?

In Leipzig werden gerade Proteste durchgeführt, achtet hierbei auf die News auf der Facebookseite des Referats für Lehramt des Sturas der Uni Leipzig. Wir haben uns hiermit aber auch an die Landesregierung gewendet: Am Mittwoch dem 15.07. wurde in einer aktuellen Stunde des sächsischen Landtags die Zukunft der Lehrer*innenbildung diskutiert. Wir sind dort lautstark aufgetreten und haben klargemacht machen: So nicht! Gute Lehrer*innen durch gute Lehrqualität! Nachdem sich sogar nach Zuspruch vieler Politiker*innen nichts getan hat, wollen wir das Rektorat der Uni Leipzig weiter unter Druck setzen. Aktuelle Infos finden sich direkt unter diesem FAQ.

Rektoratsbesetzung an der Universität Leipzig

Gegen 15:30 Uhr haben Studierende der Universität Leipzig das Rektoratsgebäude besetzt. Seit Wochen führen Studis und Mitarbeiter*innen die Auseinandersetzung mit der Universitätsleitung gegen die Stellenkürzungen und Lehrdeputatserhöhungen an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät. Bislang wurden die Forderungen um den Erhalt wissenschaftsbasierter Lehre seitens des Rektorats ignoriert, die drohenden Verschlechterungen schöngeredet. Für uns ist jedoch klar, dass Lehre nicht getrennt von Forschung und Wissenschaft passieren darf.

Die Besetzer*innen machen deutlich: „Wir bleiben hier, bis alle Kürzungen gestoppt sind!“

Wir zählen auf eure Unterstützung! Kommt im Rektoratsgebäude (Ritterstraße 26) vorbei und kämpft mit uns gegen den Ausverkauf von Forschung und Lehre. Wir freuen uns auch über Support in Form von Essen, Trinken, Bastelmaterial oder dem Teilen unserer Beiträge.

Weitere Infos erfolgen über Facebook und Instagram unter dem Hashtag #lehreohnezukunft

„Wehe denen, die nicht geforscht haben und doch reden.“ – Bertolt Brecht

Hier geht’s zur Facebook-Veranstaltung der Kundgebung am 30.7.2020

Links zum Zukunftsvertrag

Pressemitteilungen der KSS

Pressetexte

Zur Rektoratsbesetzung an der Uni Leipzig:

Zur Thematik allgemein:

Weitere Stellungnahmen