Politiker*innen von Koalition und Opposition fordern Uni Leipzig zur Umkehr auf – Leipziger Bündnis demonstriert vor Landtag

Am Mittwoch, den 15.07.2020, haben ca. 200 Personen nach Aufruf des Bündnisses „Keine #LehreOhneZukunft“ vor dem Dresdner Landtag demonstriert. Beteiligt waren Dozent*innen des Lehramts an der Uni Leipzig (UL) gemeinsam mit ihren Studierenden, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Universitätsangehörigen aus Dresden sowie den Jugendorganisationen von SPD und Linkspartei.

Anlass war eine aktuelle Stunde im Landtag unter dem Motto: „Vom Hochschulpakt zum Zukunftsvertrag – Sachsens Chance für eine Hochschulentwicklung mit guter Arbeit und Qualität im Studium“. Die Aktuelle Stunde im Rahmen der Plenarsitzung aller Abgeordneten fand u.a. deswegen statt, weil in Leipzig seit Wochen jeden Dienstag Proteste gegen die aktuelle Personalpolitik des Rektorats der UL auf die Straße getragen wird. Das Rektorat hat eine massive Erhöhung des Lehrdeputats (zu unterrichtende wöchentliche Stunden) vieler Mitarbeitenden beschlossen. Ebenso werden Stellen bei den Dozent*innen gekürzt. (vgl. PM des Bündnisses, abrufbar: https://www.gew-sachsen.de/presse/pressemitteilungen/neuigkeiten/lehreohnezukunft/)

„Ich bin überwältigt vom Engagement meiner Dozent*innen und Kommiliton*innen, welche trotz der aktuell stattfindenden Prüfungsphase und der chronischen Überlastung auf Seiten der Dozent*innen mit ca. 150 Personen am Mittwoch von Leipzig nach Dresden zum Demonstrieren angereist sind. Das zeigt, wie wichtig das Thema für die Beteiligten in der Lehr*innenbildung ist! Gerade als Bildungsgewerkschaft sind wir in großer Sorge, dass aufgrund des nun endgültig stattfindenden Abverkaufs der Lehramtsbildung auch die Schüler*innen von Morgen eine niedrigere Qualität der Schulbildung erfahren.“, stellt Adrian Weiß von der Jungen GEW fest.

Das Bündnis fordert vom Rektorat die Stellenzuweisungen unverzüglich zurückzunehmen und die aktuell laufenden Verträge der Dozent*innen um 9 Monate zu verlängern. Bis zum Wintersemester 2021/22 sollen dann in Absprache mit den Betroffenen und dem Land Personalkategorien geschaffen werden, welche eine gute Lehre für die künftigen Lehrer*innen ermöglichen.

In Bezug auf die Reden der Abgeordneten im Landtag, welche vor der Debatte auch persönlich zu den Demonstrierenden sprachen, führt Felix Fink, Referent für Lehramt des Student_innenRates der Uni Leipzig, aus:

„Fast noch erfreuter bin ich über die große Unterstützung, die wir aus der Politik erhalten haben! Insbesondere die Abgeordneten der Fraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei stellten sehr deutlich fest, dass die Uni Leipzig ihre katastrophalen Entscheidungen in der Lehramtsbildung zurücknehmen sollten. Das ist genau das, was wir seit Wochen fordern – so falsch können wir mit unserer scharfen Kritik an der Rektorin Prof. Schücking und ihren Prorektoren wohl nicht liegen. Auch die CDU betonte die Forderungen, welche der Geldgeber im Rahmen des ‚Zukunftsvertrages Studium und Lehre stärken‘ aufgestellt hat. Diese kann und wird die Uni Leipzig durch die fortlaufende Prekarisierung unserer Dozent*innen jedoch niemals einhalten! Wie die Lehre mit einer Erhöhung des ohnehin schon kaum schaffbaren Lehrdeputats ‚gestärkt‘ werden soll (Zweck der Mittel aus dem Zukunftsvertrag), bleibt das große Geheimnis unseres Rektorats.“

Zum weiteren Vorgehen stellt Fink fest:

„Dem Rektorat unserer Universität sollte nach der Debatte im Landtag nun bewusst sein, welche Anforderungen die demokratisch gewählten Abgeordneten im Landtag an ihre Arbeit stellen. Aus dieser Analyse kann nur folgen, die Beschlüsse zu den Lehrdeputatserhöhungen und Stellenkürzung unverzüglich zurückzunehmen und auf das Angebot der Politik einzugehen, die bestehenden Arbeitsverträge um 9 Monate zu verlängern. Anderenfalls, so denke ich, muss meiner Universität in Zukunft die Leine durch das Land fester angelegt werden, sodass eine Mittelvergabe auf den Cent genau an ganz konkrete Arbeitsverträge und Bedingungen gebunden wird, um eine zweckentfremdete Nutzung zu verhindern. Ich bin maßlos enttäuscht, dass sich die Uni so weit von ihren Studierenden und Beschäftigten entfernt. Gleichzeitig bin ich umso erfreuter über den großen Zusammenhalt zwischen den Studierenden, Dozierenden und vielen Professor*innen!“

Für die Landespolitik ergänzt Johanna Mehler, Referentin für Lehramt der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften:

„Wir erwarten, dass Herr Minister Gemkow alles in seiner Macht Stehende tut, um den Bedürfnissen der Studierenden und Dozierenden sowie den Anforderungen der Abgeordneten des sächsischen Landtags gerecht zu werden. Dies bedeutet in seiner Funktion als Dienstvorgesetzter die Uni Leipzig mit geeigneten Maßnahmen wieder auf jenen Pfad zu bringen, welcher im Interesse aller Dozierenden, Lehramtsstudierenden und damit auch den Schüler*innen in den Schulen liegt. Das heißt: Sofortige Zurücknahme der Entscheidung des Rektorats über die neuen Stellen, Verlängerung der aktuellen Stellen um 9 Monate wo dies möglich ist und den Einstieg in einen Dialog auf Augenhöhe mit Fakultäten, Mittelbau- und Studierendenvertretungen vor Ort für die Entwicklung einer qualitativen, nachhaltigen Stellensituation, die den erklärten Zielen des Zukunftsvertrags gerecht wird.“

 

Die Pressemitteilung ist auch als .pdf verfügbar.

 

Wörtliche Zitate aus der Landtagsdebatte vom 15.07.2020 zum Thema Zukunftsvertrag

 

Holger Mann, Hochschulpolitischer Sprecher der Regierungsfraktion SPD:

„Das, was gerade in Leipzig passiert, hat im Originären nichts mit dem Zukunftsvertrag, der zwischen Bund und Ländern verhandelt wurde, zu tun. […]

Wir wollen keine Entwissenschaftlichung des Studiums und es ist auch nicht adäquat, die Lehrbeauftragten für besondere Aufgaben mit 20 Deputatsstunden in diesem Maße auszuweiten und auf 73 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät und lehramtsbildenden Strukturen in Leipzig auszuweiten. Das kritisieren wir. […]

Wenn jetzt in Leipzig also Vorgriffe auf diese Entscheidung und Stellenvergabe [auf Basis des kommenden Doppelhaushaltes der Regierung, Anm. FF], die wir ja […] erst im April nächsten Jahres miteinander beschließen können, passieren, so muss man sagen, das gehört noch mal kritisch reflektiert und revidiert, weil solche Strukturen sollten jetzt nicht zu einer Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse der Studien- und Lehrbedingungen führen.“

Dr. Claudia Maicher, Hochschulpolitische Sprecherin der Regierungsfraktion der Grünen:

„Im Koalitionsvertrag haben wir uns klar dazu bekannt: aus den Mitteln des Zukunftsvertrages werden die bisher befristeten Überlastpakete und das Bildungspaket dauerhaft abgesichert, also diese Stellen unbefristet für die Hochschulen ausgebracht. Wir haben uns vorgenommen, neue Personalkategorien mit den Schwerpunkten Lehre, Forschung und Wissenschaftsmanagement neben der Professur zu schaffen. Da steht nichts von Verzicht auf wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder einfache Ersetzung durch Lehrkräfte für besondere Aufgaben mit stark erhöhten Deputaten. Forschungsbasierte Lehre – nicht nur fürs Lehramt – kann nicht von LfBAs übernommen werden und das sollen sie gesetzlich ja auch nicht. […]

Eine Zunahme von unbefristeten Hochdeputatslehrkräften in der universitären Lehre wollte meiner Einschätzung nach der Zukunftsvertrag nicht hervorbringen. Die heutige Demonstration der Lehramtsstudierenden vor dem Hohen Haus, ist nicht die erste und zeugt davon, dass es offenbar Fehlentwicklungen gibt. Hier werden die Chancen des Zukunftsvertrages nicht so genutzt.“

Anna Gorskih, Hochschulpolitische Sprecherin der Oppositionsfraktion DIE LINKE.:

„Wenn ich den Kollegen Mann richtig verstanden habe, sieht man zumindest ein, dass die Uni Leipzig hier Strukturen schafft, die zumindest so nicht intendiert waren. Das haben Sie gesagt und ich hoffe deswegen, dass Sie sich hier tatkräftig dafür einsetzen werden, um diese Situation zu klären und die Qualität der Lehre an der UL zu sichern. […]

Ich finde, das Vorgehen der UL ist hier höchst unverantwortlich und genauso unverständlich finde ich das intransparente Vorgehen des Ministeriums, bei welchem Verantwortungen zwischen Rektorat und Ministerium hin und her geschoben werden. Wenn hier nicht zügig umgelenkt wird, haben wir in ein paar Jahren vielleicht zahlenmäßig mehr Lehrkräfte, die wir auf den Arbeitsmarkt schicken, die aber bei Weitem nicht so gut ausgebildet werden konnten wie es eigentlich sinnvoll wäre.“

Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU):

„Die verlässliche Mittelbereitstellung durch Bund und Länder ermöglicht den Hochschulen mehr dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse. […] Und damit sind und bleiben die Hauptziele, die Entwicklung von Lehre und Studium soll in ihrer Stabilität und Kontinuität fortgesetzt werden. Dabei besteht für die Hochschulen im Freistaat Sachsen natürlich die Herausforderung, durch die Verbesserung der Betreuungssituation, die Steigerung der Lehrqualität und die Qualitätssicherung den Studienerfolg zu sichern und zu verbessern und so den Absolvent*innen einen weiterhin erfolgreichen Berufseinstieg zu ermöglichen.“

Quelle: https://www.landtag.sachsen.de/de/aktuelles/videoarchiv/sitzung/1445/4?page=1

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