Diskriminierung und sexuelle Belästigung gegenüber Studierenden an Sachsens Hochschulen noch immer nicht verboten
In Sachsen gibt es eine klaffende Gesetzeslücke: Von sexueller Belästigung und Diskriminierung betroffene Studierende haben keine rechtliche Handhabe, um gegen Täter*innen vorzugehen. Denn das geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt zwar für Beschäftigte im Hochschulbereich, nicht aber für Studierende. Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften hat in der Vergangenheit schon mehrfach auf diese Gesetzeslücke hingewiesen [1]. Am Montag, dem 27. Februar 2023 beschäftigt sich der Sächsische Landtag mit dem Thema #MeToo in Science und wie bestehende Lücken geschlossen werden sollen.
„Ich wurde sexuell von einem meiner Dozenten belästigt“,
berichtete eine Studentin erst Ende 2022 anonym ihrer Studierendenvertretung. „Mehr als ein ‚Du du du‘ seitens der Hochschulleitung gab es jedoch nicht an Konsequenzen für dieses Arschloch. Mir wurde gesagt, es gäbe halt keine gesetzliche Regelung dafür. Ich meide jetzt all seine Vorlesungen.“
Zahlreiche Studien und Befragungen haben bereits belegt, dass mehr als die Hälfte der Studierenden schon mal von sexueller Belästigung oder Diskriminierung im Hochschulalltag betroffen waren [2]. In der europaweiten UniSAFE Studie zu geschlechtsbasierter Diskriminierung [3] gaben bspw. 57% der befragten Studierenden an, geschlechtsbasierte Diskriminierung im Unikontext erlebt zu haben. Der Bereich Bildung gilt als der dritthäufigste von Diskriminierungen betroffene Lebensbereich in Sachsen [4]. Ein Antrag der Linksfraktion im Sächsischen Landtag [5] soll nun auf das Thema aufmerksam machen und diese Vorfälle an Hochschulen bekämpfen.
Fay Uhlmann, Referent*in für Feminismus der KSS, wird ebenso als Sachverständige* zum Antrag angehört: „In einer so stark hierarchisierten Struktur wie in Hochschulen besteht nicht zuletzt aufgrund der Abhängigkeitsverhältnisse eine besondere Gefahr vor Diskriminierung. Geschlechterbasierte Diskriminierung und sexuelle Belästigung sind dabei nur zwei der Repressalien, vor denen Studierende durch das AGG nicht geschützt werden. Hinsichtlich dieser erschreckenden Zahlen zu Diskriminierung an Hochschulen ist diese Lücke, die seit 2006 besteht, eine absolute Farce!“
Neben Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg haben weitere fünf Bundesländer Diskriminierungsschutz für Studierende gesetzlich verankert. Daher hatte auch die sächsische Regierung bereits im Koalitionsvertrag 2019 versprochen, gesetzliche Lücken im Diskriminierungsschutz schließen zu wollen. Eine entsprechende Regelung fordert die Landesstudierendenvertretung bereits im Hinblick auf die aktuelle Novellierung des Hochschulgesetzes. Sabine Giese, Sprecherin der KSS, ist frustriert: „Seit Jahren kämpfe ich gegen diese Willkür seitens Profs, Mitarbeitenden und weiteren Hochschulangehörigen. Schon als Mitglied meines Fachschaftsrates bin ich gegen Wände gelaufen, wenn wir Konsequenzen bei Diskriminierungen forderten. Wir möchten doch nur, dass wir offiziell nicht mehr sexuell belästigt oder diskriminiert werden dürfen. Es ist doch lächerlich, dass wir diese Forderung im Jahr 2023 überhaupt formulieren müssen. Auch wenn mehr finanzielle Mittel zur Bekämpfung von Diskriminierungen an Hochschulen ebenso dringend nötig wären, wollen wir doch erstmal nur das Mindeste – und das kostet kein Geld: Wir wollen gesetzlich geregelte Gleichbehandlung.“
Die Pressemitteilung ist auch als pdf. verfügbar.
(1) https://www.kss-sachsen.de/pm_16_21; https://www.kss-sachsen.de/pm_06_22; https://www.kss-sachsen.de/pm_14_22
(2) z.B. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2020): Bausteine für einen systematischen Diskriminierungsschutz an Hochschulen, online unter: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/bausteine_f_e_systematischen_diskrimschutz_an_hochschulen.pdf;jsessionid=CBAFCE76C0C2F8369B466190DC220B9D.intranet211?__blob=publicationFile&v=3, Seite 9